Gruppenbild des Theaterensembles an einer Fontäne

Deutsche Bühne Ungarn

Sechsard / Szekszárd (Ungarn): Genauso wichtig wie die Sprache ist die Botschaft

Szekszárd im Südwesten Ungarns dürfte vor allem Rotwein-Kennern ein Begriff sein. Der "Szekszárdi bikavér" (Szekszárder Stierblut) wird aus den für diese Region typischen Rebsorten gekeltert, darunter die bekannte Kadarka-Rebe.

Das 34.000-Einwohner-Städtchen bezaubert außerdem durch seine historischen Bauten, deren Entstehung teilweise bis ins 17. Jahrhundert zurückreichen. Auch Jugendstilhäuser säumen zahlreich die Straßen. In einem der schönsten ist die 1983 gegründete "Deutsche Bühne Ungarn" zu Hause. Das Schauspiel-Ensemble um Intendantin Katalin Lotz weiß: Dass das einzige Theater der Stadt unter der Trägerschaft des Dachverbandes der ungarndeutschen Minderheit steht und nur deutschsprachige Stücke im Repertoire hat, gefällt nicht jedem. "Immer wieder sagen die Menschen, macht doch mal etwas auf Ungarisch. Das ist aber nicht unsere Mission", sagt Lotz. Immerhin wird jedes Stück mit ungarischen Übertiteln gezeigt. Die Mission allein auf die Förderung der deutschen Sprache zu münzen, sei aber zu kurz gefasst, so die Ungarndeutsche.

Perspektiven erweitern

Die Klassenzimmer-Stücke, mit denen sie und ihr Team durch die Schulen touren, richten sich zwar an Deutschlerner. Genauso wichtig aber wie die Sprache ist die Botschaft. Die Stücke thematisieren, was junge Menschen bewegt. Zeitlos: die Suche nach dem Ich oder der Wunsch nach Akzeptanz. Aber auch aktuelle Entwicklungen wie Internetmobbing.
Für Lotz geht es darum, Perspektiven zu erweitern – ein mehrjähriger Aufenthalt in München, wo die Schauspielerin ihre Ausbildung absolvierte, prägt sie bis heute. "Die Kulturvielfalt, die ich dort erlebt habe, hat mich zu einem offenen Menschen gemacht."

Mehr Offenheit wünscht sich die Künstlerin auch von Ungarn. Fremdenfeindlichkeit treffe zwar nicht die geschätzt 200.000 Ungarndeutschen im Land. Lotz sorgt aber der Umgang mit dem Thema Flüchtlinge. "Meinem Empfinden nach sind die Menschen in Ungarn Fremden gegenüber sofort misstrauisch." Ein geringer Selbstwert vieler Ungarn gepaart mit zweifelhaften schwarz-weiß-Botschaften der ungarischen Medien seien dafür der Grund, vermutet Lotz.

Auf der Grundlage eines Romans von Daniel Dafoe zeigt die "Deutsche Bühne Ungarn" wie es anders geht. Zwei Schiffbrüchige aus unterschiedlichen Welten stranden auf einer Insel im Meer, einer Müll-Insel. Den Ausweg finden sie nur zusammen. Das Stück Robinson Cruso steht für die Annäherung von Kulturen und die Stärke der Gemeinschaft.

Raus aus dem Stillstand

In der Corona-Krise allerdings bleiben die Bretter, die die Welt bedeuten, leer. Davon ist auch das deutsche Schauspielhaus in Szekszárd betroffen. Beatrice Benedek, seit Oktober 2020 die erste ifa-Kulturmanagerin im Ort, hält den Betrieb wenigstens online am Laufen. Einen Einblick in die Arbeit am Theater im In- und Ausland gibt es bei einem von ihr organisierten virtuellen Treffen mit deutschsprachigen Theaterpädagogen.

Menschen für das Theater begeistern, Netzwerke schaffen, die deutschsprachige Community zusammenbringen – im Lockdown machen das auch sozialen Medien möglich. Über Youtube und Facebook verschafft Beatrice Benedek dem Publikum einen neuen Zugang zum Theater, so geben zum Beispiel eigens für den "Welttag des Theaters" produzierte Filme einen aktuellen Blick hinter die Kulissen. Die 28-Jährige gehört selbst einer Minderheit an, und zwar den Ungarn in Siebenbürgen, Rumänien, zuletzt war sie aber in England zu Hause. Multikulti hat sie quasi im Blut und mit ihrer Begeisterung für die Bühnenkunst ist sie bei der "Deutschen Bühne Ungarn" gut aufgehoben. Das merken auch die Follower. "Wir haben online ein aktives Publikum. Die Menschen kommentieren rege unsere Posts und schreiben Dinge wie: Danke, dass ihr unsere Zeit verschönert. Oder: Wir können kaum erwarten, dass ihr öffnet", freut sich Beatrice Benedek.

Der Text entstand im März 2021.


Über das Entsendeprogramm

Das Entsendeprogramm bietet Arbeitsaufenthalte in Organisationen deutscher Minderheiten im östlichen Europa oder in einem Staat der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Die Entsandten arbeiten als Kulturmanagerinnen und -manager oder Redakteurinnen und Redakteure in ausgewählten Projekten und unterstützen die Einrichtungen mit ihrem Knowhow.

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