Zwei neue Studien analysieren Chinas Kulturdiplomatie in Afrika und Lateinamerika

Das ifa – Institut für Auslandsbeziehungen veröffentlicht Studien zu Chinas Kulturdiplomatie, insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent und in Lateinamerika.

Stuttgart/Berlin – Der Aufstieg Chinas zu einer führenden Wirtschaftsmacht hat die globale Ordnung längst verändert. Was als wirtschaftlicher Aufstieg begann, wurde in den letzten Jahren zunehmend von Maßnahmen Chinas begleitet, auch seinen kulturellen Einfluss weltweit zu vergrößern. Das ifa – Institut für Auslandsbeziehungen legt nun zwei aktuelle Studien zu diesem Thema vor. Diese untersuchen Beweggründe, Schlüsselinitiativen und Strategien hinter Chinas Kulturdiplomatie, insbesondere auf dem afrikanischen Kontinent und in Lateinamerika. Die Ergebnisse werden am 24. Oktober in einer hybriden Veranstaltung in Berlin vorgestellt. 

Unter der Führung von Xi Jinping hat China einen selbstbewussteren Ansatz in der Kulturdiplomatie gewählt. Das Land strebt an, seinen internationalen Einfluss zu vergrößern und bis 2035 ein führendes Land in den Bereichen Kultur und Sport zu werden. Wie die ifa-Studien zeigen, besteht eine Strategie Chinas darin, Kapazitäten zur Förderung von Wirtschaftsbeziehungen aufzubauen und als Partner für Entwicklung wahrgenommen zu werden. Dieser Logik folgend hat China kulturelle Initiativen innerhalb von Organisationen wie der UNESCO gegründet. Gleichzeitig umgeht es diese, indem es eigenständige Vereinigungen wie BRI, BRICS oder regionale Foren wie das China-Community of Latin American and Caribbean States Forum (CELAC) Forum (CCF) stärkt oder neu gründet. 

Die Studien zeichnen ein komplexes Bild der chinesischen Kulturdiplomatie: Sie hat vor allem das dezidierte Ziel, eigene Narrative zu etablieren. Insbesondere das einer Alternative zu bisherigen (westlichen) Entwicklungsstrategien. Gleichwohl können Organisationen wie Konfuzius-Institute und bspw. Foren für Städtepartnerschaften auch Möglichkeiten des interkulturellen (Wissens-)Austauschs über- und miteinander zwischen China und anderen Ländern bieten. Chinesische Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent etwa in kulturelle Infrastruktur bringen wirtschaftliche Vorteile, stellen sich aber für viele afrikanische Staaten langfristig als Schuldenfalle heraus. Beide Studien adressieren die Risiken von Kooperationen mit China und betonen die Bedeutung des multilateralen Rahmens der UNESCO.  

Die Wirtschaftssoziologin an der University of the Witwatersrand und Autorin der Studie
"China's Institutionalised Cultural Presence in Africa", Avril Joffe, sagt: "Wir brauchen eine differenziertere und subtilere Sichtweise auf chinesische Investitionen in den afrikanischen Kultur- und Kreativsektor als die, die eine binäre Sichtweise des Engagements zwischen Afrika und China bietet. Afrikanische Akteure, darunter Kulturminister, Kunst- und Kulturorganisationen und die afrikanische Zivilgesellschaft, sollten sicherstellen, dass diese Investitionen den lokalen Kultur- und Kreativsektor durch technisches Fachwissen und konzessionierte Darlehen und Zuschüsse stärken, lokale kulturelle Ausdrucksformen fördern und nicht verdrängen und eine kulturelle Infrastruktur bereitstellen, die dem lokalen städtischen Umfeld an jedem einzelnen Standort angemessen ist".

"Der Kulturaustausch im Rahmen des China-CELAC-Forums (CCF) ist weitgehend von den Parametern der chinesischen Kulturdiplomatie und dem etablierten Repertoire an Kulturprogrammen geprägt, die in anderen multilateralen und regionalen Plattformen Anwendung finden. Im Gegensatz dazu haben sich die Mitglieder der CELAC nicht auf grundlegende Prinzipien, Ziele und Richtlinien für ihr Engagement mit China geeinigt, geschweige denn auf spezifische Politiken oder Strategien im Bereich der Kultur. In der gegenwärtigen Ära des hegemonialen Wandels und unsicherer Allianzen müssen die lateinamerikanischen Länder die Grundlagen ihres kulturellen Engagements nicht nur mit China, sondern auch mit traditionellen Akteuren wie der Europäischen Union neu überdenken", sagt Ximena Zapata, Wissenschaftlerin am GIGA und Autorin der Studie "Chinas Kulturdiplomatie in einer neuen Ära des Multilateralismus". 

Die Förderung von Austausch, um mit Sprache und Regionalwissen Kooperationen zu ermöglichen und zu erleichtern, wird begrüßt. Es gilt jedoch genau hinzuschauen, welche politischen Konzepte hinter den Szenarien zukünftiger Kooperationen stehen. Hierüber Debatten zu ermöglichen, ist die Absicht des ifa im Rahmen dieser Publikationen.

Veranstaltung

Die Ergebnisse der beiden ifa-Studien werden präsentiert am 24. Oktober um 18:00 Uhr unter dem Titel "Eine 'Neue Seidenstraße' der Kultur? Chinas kulturpolitisches Engagement in Lateinamerika und Afrika" im Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin. Es sprechen die beiden Autorinnen Ximena Zapata (GIGA) und Avril Joffe (Wits University Johannesburg) sowie Lutz Möller (Deutsche UNESCO Kommission) and Hanns W. Maull (SWP), moderiert von Bert Hoffmann (Leiter GIGA Büro Berlin). Die Veranstaltung findet hybrid statt. Um Anmeldung für die Teilnahme vor Ort bzw. digital wird hier gebeten.

Über die Veranstaltung

Über die Studien

"China's Institutionalised Cultural Presence in Africa" von Avril Joffe

"China's Institutionalised Cultural Presence in Africa" untersucht die Auswirkungen der chinesischen Kulturdiplomatie auf dem afrikanischen Kontinent. Während Chinas Investitionen in große Infrastrukturprojekte lange Zeit positiv bewertet wurden, stellt Joffe nun ein wachsendes Bewusstsein sowohl in der Zivilgesellschaft als auch bei staatlichen Stellen für ambivalente Folgen fest. Viele afrikanische Staaten ächzen inzwischen unter der Schuldenlast und mittlerweile kommen rund zwei Drittel der neuen Kredite aus China. Die Studie von Avril Joffe zeigt, wo der chinesische Staat vor allem im Bereich der Auswärtigen Kulturpolitik investiert: In den 2000er Jahren wurden die ersten Konfuzius-Institute auf dem Kontinent gegründet, mittlerweile gibt es 61 Institute in Afrika. Bei Medieninvestitionen besteht laut der Studie die besondere Gefahr, die Vielfalt insbesondere des lokalen Angebots einzuschränken.

Es wird betont, dass eine ausgewogene Medienlandschaft und ein ausgeglichenes Bildungssystem für den sozialen Zusammenhalt entscheidend sind. Die Ergebnisse der Studie verdeutlichen die Komplexität des chinesischen Engagements in Afrika und die verschiedenen Facetten der damit verbundenen Wirkungen. Die afrikanischen Akteure müssen dafür sorgen, dass sich ein gerechteres Engagement entwickelt, bei dem die Bedingungen von den lokalen Bedürfnissen und der lokalen Kultur bestimmt werden, und sich offensiver für Gleichberechtigung, Bedürfnisse und die Achtung der nationalen Souveränität einsetzen.

"Chinas Kulturdiplomatie in einer neuen Ära des Multilateralismus" von Ximena Zapata

"Chinas Kulturdiplomatie in einer neuen Ära des Multilateralismus" blickt mit besonderem Fokus auf Lateinamerika. Die Autorin untersucht Chinas Kulturdiplomatie in multilateralen und regionalen Plattformen als Instrument zur Durchsetzung seiner ehrgeizigen nationalen Ziele während des gegenwärtigen hegemonialen Übergangs. Seit der Gründung des Forums zwischen China und der Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten (CCF) im Jahr 2014 hat China sein Interesse daran bekräftigt, die Bedeutung der Kultur in seinen Beziehungen zu den lateinamerikanischen und karibischen Ländern zu stärken. Im Rahmen des CCF finden verschiedene Kulturinitiativen in den Bereichen Bildung, Kunst, Sport, zivilgesellschaftlicher und regionaler Austausch sowie Medien statt, die eine Vielzahl von Akteuren wie Hochschullehrer:innen, Künstler:innen, Studierende, junge Menschen, Journalist:innen, Medien, Freundschafts- und Sportverbände sowie lokale Behörden zusammenbringen.

Im lateinamerikanischen Kontext stellt die Autorin fest, dass Chinas kulturdiplomatische Ziele die gleichen sind wie die, die seine Bemühungen auf multilateraler Ebene leiten. Diese Ziele umfassen die Darstellung einer modernen und geeinten Nation mit einer uralten Zivilisation, während gleichzeitig einer aus Chinas Sicht verzerrten Wahrnehmung entgegengewirkt und die eigene Geschichte propagiert wird. Darüber hinaus versucht China, sich als verantwortungsvolle Macht zu positionieren, die alternative Wege für Entwicklung und Regierungsführung anbietet, die über die von den westlichen Mächten befürworteten hinausgehen. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass das Erreichen der gewünschten Intensität des kulturellen Austauschs zwischen China und Lateinamerika eine große Herausforderung bleibt. Viele der kulturellen Initiativen des CCF hängen von Vereinbarungen auf hoher Ebene ab. Ohne die Beteiligung der chinesischen Regierung könnten nur sehr wenige dieser Initiativen auf regionaler Ebene überleben. Die Herausforderung besteht darin, ein direkteres Engagement der chinesischen und lateinamerikanischen Zivilgesellschaft zu ermöglichen.

Über die Autorinnen

Avril Joffe (Wits Universität Johannesburg): Avril Joffe ist Lehrstuhlinhaberin für Lehren und Lernen an der School of Arts und Postgraduierten-Koordinatorin für Kulturpolitik und -management an der University of the Witwatersrand in Johannesburg. Sie ist Wirtschaftssoziologin und arbeitet an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Praxis in Bereichen wie der Kultur im städtischen Leben und der Verwirklichung einer gerechten und nachhaltigen Entwicklung. Avril ist Mitglied des UNESCO-Expertengremiums für Kulturpolitik und -verwaltung, des Global Creative Economy Council des britischen Creative Industries Policy and Evidence Centre, der International Cultural Relations Research Alliance (ICRRA) und der International CREATOUR.

Ximena Zapata ist Wissenschaftlerin in den Bereichen globale politische Ökonomie und Internationale Beziehungen mit Schwerpunkt Lateinamerika. Sie ist Doktorandin der Politikwissenschaft an der Universität Hamburg und dem GIGA Institut Deutschland, und hat einen Master-Abschluss in Internationalen Beziehungen von FLACSO-Ecuador. Zu ihren Forschungsinteressen gehören Chinas Engagement in Lateinamerika, politische Ökonomie der Entwicklung, Regionalismus, Kulturdiplomatie und lateinamerikanisches Denken.

Pressekontakt

ifa – Institut für Auslandsbeziehungen 

Miriam Kahrmann
Leitung Stabsbereich Kommunikation
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Über das ifa

Das ifa – Institut für Auslandsbeziehungen setzt sich gemeinsam mit Partnern weltweit ein für die Freiheit in Kunst, Forschung und Zivilgesellschaft. Es gibt Aktivist:innen, Künstler:innen und Wissenschaftler:innen eine Stimme, fördert Kooperationen und verfolgt seine Ziele verstärkt mit europäischen Partnern. Basierend auf seinen Kernkompetenzen Kunst, Forschung und Zivilgesellschaft baut das ifa Netzwerke auf, um nachhaltige Wirkung zu erzielen. Das ifa wird gefördert vom Auswärtigen Amt, dem Land Baden-Württemberg und der Landeshauptstadt Stuttgart.